Über Land
Ich weiß nicht, wie Sie das handhaben, aber ich fahre am Wochenende gern mal so ein bisschen über Land.
Nicht so Autobahn-Leitplanken-gelenkt. Autobahn-Landschaften wirken immer so deprimierend seelenlos. Vielleicht ist das bei mir aber auch so eine tiefenpsychologisch schwer manifestierte Abscheu vorm Autobahnbauer Nr.1 in der Geschichte. Nein, keine Autobahnen. Eher so die gemeine Landstraßennummer. Mit Apfelbäumen an der Seite und kleinen Gräben, in die die weniger attraktiven bräunlichen Früchtchen sich schon mal vorsorglich suizidal hinein geschmissen haben. Oder sich „heimwärts gedreht“ wie man mancherorts in Österreich sagt. So durch die mitteldeutschen, sau sauberen Dörfer, wo um die Mittagszeit kein Mensch im idyllischen Garten auf der Hollywoodschaukel sitzt. Wo ein einsamer Mann ohne Oberbekleidung die Straße kehrt.
Nach Sachsen-Anhalt verschlug es mich gerade. Saale-Unstrut-Kreis. Naumburg. Freyburg. Sich septembersonnend gingen die hiesigen Weinberge ins Hohlkreuz, schmissen sich ran, wollten gefallen und hätten sich doch gar nicht anstrengen müssen.
Mit Verlaub, ich denke das oft: Mitteldeutschland ist ein Kleinod. Man muss es dem Rest des Landes nicht nur lauter und deutlicher, sondern vor allem auch öfter sagen: Vergesst die ganze Scheiße mit dem Ossi, der nur kleinlich unterm aubergine-getönten Haar hervorhassen kann. Den gibt es auch. Und der muss auch irgendwie auf einem neuen Weg, ganz sicher. So mit Gefühl für den Menschen, Klugheit und Geduld wieder eingefangen werden, aber es gibt hier so viel mehr!
Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen … Kommt doch alle mal herbei. Guckt euch alles an. Meckert nicht im Restaurant, sondern seht hin, was wir hier haben. Gebirge, eine kleine Toskana, sanfte Hänge, Bäume, krasse Hügel, Licht, Wanderwege, die zwangsläufig an Burgen und Schlössern enden, weil sie gar nicht anders können. Ziemlich gerade aussprechende Menschen. Und für Ängstliche: Wir haben auch Einkaufsstraßen sowie Haarbürsten in einer Auswahl, dass sie euch überfordern wird, solltet ihr eure vergessen haben, Reformationsbrötchen und Grauburgunder, bei dem euch die Kellnerin mit dem Piercing in der Backe erklären wird, dass der eigentlich Pinot Gridddscho heißt.
Mit einem Wort: Wer vor richtig reinhauender Romantik eher Furcht hat, fährt weiter nach Baden-Baden oder Mauritius. Alle anderen sind herzlich eingeladen, sich hier herzlich auf was einzulassen. Und meinetwegen sogar auf uns. 🙂
Ulrike Gastmann | ManagementRadio